Britische Kommando-Operationen
im Zweiten Weltkrieg
Großbritannien war einer der wichtigsten Fluchtorte für Österreicherinnen und Österreicher, die vom nationalsozialistischen Schreckensregime ins Exil gezwungen wurden. Aus unterschiedlichen Motiven wollten eine Vielzahl von ihnen im Zweiten Weltkrieg ihren Beitrag zu den Kriegsanstrengungen Großbritanniens gegen Hitler-Deutschland leisten. Ihnen wurde als sogenannte "enemy aliens" allerdings von ihrem Gastland kein sonderlich großes Vertrauen entgegengebracht, sodass ihnen – oftmals sogar, nachdem sie aus Sicherheitsgründen interniert worden waren – zunächst ab 1940 lediglich der Dienst im Pioneer Corps zugestanden wurde. Bei diesem handelte es sich um eine reine Hilfseinheit, deren Angehörige nur Arbeitseinsätze erfüllten und keine Waffen ausgehändigt bekamen. Erst 1943 standen den – männlichen – Flüchtlingen (fast) alle Teile der britischen Armee offen.
Eine kleine Anzahl von österreichischen Emigranten nahm dabei einen speziellen Weg, um gegen die Nationalsozialisten zu kämpfen. Denn die Briten stellten mit dem No. 10 (Inter-Allied) Commando eine ungefähr eintausend Mann umfassende Einheit auf die Beine, um Exilanten aus verschiedenen Ländern die Möglichkeit zu geben, als Teil der britischen Streitkräfte an Kommando-Operationen teilzunehmen. Dieses bestand aus drei belgischen und zwei französischen Abteilungen sowie jeweils einem niederländischen, norwegischen, polnischen, jugoslawischen und "britischen" Kontingent. Letzteres, auch No. 3 (Miscellaneous) Troop genannt, setzte sich in Wahrheit aus geflüchteten Deutschen und Österreichern zusammen, die nach eingehender Sicherheitsüberprüfung wiederum aus dem Pionierkorps rekrutiert wurden. Aus verständlichen Gründen wurde ihre wahre Herkunft verschleiert, sodass ihre Mitglieder Decknamen und fiktive Familiengeschichten erhielten – was aufgrund ihres oftmals starken Akzents bei anderen britischen Soldaten, denen sie im Einsatz begegneten, nicht selten für Verwirrung sorgte.
Im Rahmen eines von mir am Ludwig Boltzmann Institut für Kriegsfolgenforschung (BIK) geleiteten Projekts werden erstmals alle Namen sowie biografische Grunddaten der rund 40 österreichischen Kommandosoldaten, die teils spektakuläre Missionen durchführten, eruiert und in einer Datenbank dokumentiert. Zudem werden Kurzbiografien sowie ein rahmender Essay über Emigration, Rekrutierung sowie Kriegseinsatz der betreffenden Personen erstellt. Die Forschungsergebnisse werden in deutscher und englischer Sprache auf der BIK-Homepage veröffentlicht und frei zugänglich sein.
Erste Beispiele dieser Kurzbiografien gibt es bereits. Sie erinnern an die beiden Österreicher Werner Max Lewinsky alias Max Laddy und Ernst Kagerer-Stein alias Eugene Fuller, die beide bei den Kampfhandlungen in der Normandie im Juni 1944 ihr Leben ließen. Der gebürtige Prager und später in Wien als Tänzer und Choreograph tätige Lewinsky am 6. Juni noch während der Landung, der in Czernowitz geborene und in Wien aufgewachsene Kagerer-Stein eine Woche später am 13. Juni.